Zwischen Frühstück und Cafebesuch, studierten wir noch Pollis Seemannsgarn-Lied ein -mehr laut als leise und richtig. Hans Albers würde sich im Grab umdrehen.
Doch der Termin mit Andreas und sein Versprechen uns Moderatoren zum Frühstück einzuladen ließ nicht lange auf sich warten.
Um 11 Uhr versammelten sich eine bunte Meute Freuen, begleitet von drei Männern auf dem Parkplatz.
Schnell wurde geklärt wer bei wem im Wagen mitfährt und insgeheim wünschte ich mich in den schwarzen BMW.
Als Menschenmasse stürmten wir das Cafe des ansässigen Bäckers. Wir rückten Tische und Stühle zurecht, nahmen Platz und Speisekarten entgegen.
„Das Frühstück geht auf mich“, beteuerte Andreas sein Versprechen erneut.
Neben Evelyn hatte ich meinen Platz gefunden. Bereits übers Internet schien sie mir eine Vertraute zu sein. Ich blickte sie seitlich an und innerlich spürte ich Ruhe, Geborgenheit und Freude so einen großzügigen, warmherzigen Menschen kennen gelernt zu haben.
Mir gegenüber hatten Saskia und Gertraud einen Banksitzplatz erwischt und wurden von Victoria und Karoline eingerahmt.
Andreas und Thorralf bildeten die Stirn. Nicht nur am Tisch.
Die Servicekraft hatte sichtlich alle Hände voll zu tun, denn wir waren nicht die einzigen Gäste in dem rustikal eingerichteten Bäckereicafe. Familien mit Kleinkinder hatten zum zweiten Frühstück eingefunden, ebenso Omas und Opas, die sich auf ihrer Shoppingtour einen ruhigen Moment gönnten.
Ausgelassen wurde über verschiedene Projekte, persönliche Ansichten und Interne geplaudert, während Eisbecher, Milchkaffee und Cappuccino den Tisch zum bersten überfüllte.
Und wie immer wurde viel Gelacht und ich verpasst wieder mal meine Chance, um mit Andreas über die Zeitung zu sprechen, da er sich mit Karoline an einen Fensterplatz zurückzog und scheinbar ein ernsthaftes Vier-Augen-Gespräch führte.
Ich werde die Gelegenheit nutzen und mit allen Moderatoren unter vier Augen sprechen.
Na, dann werde ich mich noch in Geduld üben müssen ...
adlerfeder - 16. Dez, 22:59
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Die schwarze Sofaecke stand in der Lobby.
Sie sah sehr bequem aus. Und ich traute mich nicht, meinen Körper in diese Tiefe hinuntergleiten zu lassen, aus Angst, ich könnte diese Stellung zu sehr genießen und einschlafen.
Neben der Anmeldung befand sich der Konferenzraum, den wir für drei Tage gemietet hatten, die Tür war geschlossen und doch hörte ich Stimmen, Gitarrenklänge und Gelächter. Nein, ich wollte mich nicht in diese Gesellschaft hineinbegeben, wollte meine Gedanken ordnen und eine Lösung für mein Handicape finden. Ein adäquater Plan muss her.
Sollte ich bereits jetzt Plan B in Betracht ziehen? Ich hatte keinen Plan B, fiel mir nüchtern ein und meine Augen erblickten ein Buch, welches auf einem Pult lag.
Ein mit schwarzem Leder eingebundenes DINA4-Buch auf dem in goldenen Schnörkellettern das Wort Gästebuch stand.
Als wissbegieriger Mensch und Autor ist man immer daran interessier was andere über andere zu sagen haben. Ein Journalist lebt auch von Gerüchten und Zeugenberichten. Und in diesem Augenblick interessierten mich die Wahrnehmungen anderer Herbergsbesucher mehr als die Tatsache, dass ich irgendwie mit der Zeitung in der Luft hang.
Einen o8/15-Kugelschreiber hatte man an eine lange, graue Paketschnur geknotet und diesen Knoten zusätzlich mit Klebestreifen gesichert - wahrscheinlich ist die Kugelschreiberverschwindungsrate in der Herberge besonders hoch – derweil das andere Ende der Kordel an einem in der Wand befestigten Ring verknotet wurde – ohne weitere Sicherheitsmaßnahmen.
Beim durchblättern fiel mich auf, dass sehr viele Wandergruppen hier Zwischenstation eingelegt hatten. Sie bedankten sich beim Herbergsvater für die gute Verpflegung, das leckere Essen und die Sauberkeit der Räumlichkeiten.
Schüler kritzelten zumeist Comicfiguren und großzügig zu interpretierende Schriftzüge als Dankeschön in das Buch.
Kinderreiche Familien entdeckte ich ebenso wie Single, Pärchen und Jugendgruppen verschiedenster Vereine.
Lotte aus K. grüßte noch Norbert aus H. und Oswald aus B. meinte, dass das Wetter zwar nicht gut war, aber dafür hatte ihm die Stadt recht gut gefallen, derweil Karl-Heinz aus T. zu tiefst bedauerte, dass Haustiere in der Herberge nicht erlaubt waren und Emilie und André bedankten sich auch im Namen ihrer fünf Kinder [...]
„Hey Chris, magst du ... singen?“, wurde ich von Paula fragend aus meiner Lektüre gerissen.
„Ja klar! Ich komme gleich.“
Shit! Was habe ich da jetzt gesagt? Und was? Ich soll singen? Shit! Auf was hab ich mich da nun wieder eingelassen?
Panikattacken stiegen in mir auf. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn und an allen anderen Stellen. Meine Kehle verengte sich und ich spürte wie die Stimmbänder sich sofort entzündeten.
Ich sah mich schon als taubstumme Operndiva auf der Bühne des Lebens das Stück meines Lebens vortragen.
adlerfeder - 20. Jul, 14:48
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„Guten Morgen“, sagte Andreas.
„Guten Morgen“, sagte Thorralf.
„Guten Morgen“, sagte ich.
Dann folgten drei Minuten gemeinsames schweigen.
Toll Chris! Das ist die Gelegenheit. Los, trau dich und sprich Andreas auf die Zeitung drauf an!, feuerte ich mich innerlich an.
Ja, das war die Gelegenheit und gerade als ich zum Gespräch ansetzten wollte, erschienen Victoria und Karoline und plapperten unsortiert und hemmungslos drauflos.
Victoria erzählte von einer langen durchgequasselten Nacht und ihrem unbändigen Kaffeedurst, den sie sofort bekämpfen wollte, nachdem sie ihre Zigarette zuende geraucht hatte.
„Die Kantine macht gleich zu“, kommentierte ich wie nebenbei und angelte mein Handy aus der Handtasche.
„Oh, dann muss ich los“, antwortete sie gehetzt. Und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass Victoria immer unter Druck steht. Sie drückte ihre Zigarette aus und ging hinein.
Karoline folgte ihr. Dabei faselte sie noch irgendwas von Song einstudieren.
„Ich komm mit“, sagte Andreas und damit ging meine Chance erneut dahin.
Mist! Kannst du nicht einmal in deinem Leben schneller sein als andere?!
„Wir sehen uns nachher“, verabschiedete sich Thorralf.
„OK. Bis später.“
Um meine Enttäuschung über das nicht geführte Geschäftsgespräch zu vertuschen, tippte ich wie eine Wilde auf meinem Handy herum. Immer schön den Schein wahren. Nein, du fühlst dich gut. Heute ist ein guter Tag. Nachher wird es eine erneute Chance geben.
Ich musste dran bleiben. Es war wichtig einige Dinge wegen der Zeitung zu klären. Layout, Zahlungseingänge, Versandabwicklung, Redaktionsarbeit und überhaupt musste über die Einnahmenverteilung gesprochen werden und über den Vertrag, den wir abschließen wollten. Immerhin benutzen wir die Internetplattform und die Zeitung sollte schon über den Verlag von Thorralf laufen, da muss alles steuerrechtliche abgeklärt sein – und das noch vor der ersten Erscheinung.
Ich löschte die Displayanzeige meines Handys und nahm mir vor, später, wenn wir in der Stadt sind und mein Handy wieder Empfang aufweist Siegi anzurufen.
adlerfeder - 19. Jul, 10:23
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Nach der dritten Tasse Dünnkaffee und zwei belegte Salamibrötchen blieb ich noch eine Zeit lang still sitzen und beobachtete ein paar Senioren, die in rot/weiß karierten Hemden und Knickerbocker gekleidet waren.
Zum einen fand ich es merkwürdig in einer Jugendherberge eine Seniorenwandergruppe anzutreffen und zum anderen wunderte ich mich über diesen Gedanken, da es für Außenstehende ebenso merkwürdig erschein mag, dass eine Internetplattform ein Autorentreffen in eben dieser Jugendherberge organisiert.
Zwischen Büfett und Treppenhausaufgang befand sich ein Servierwagen, bestückt mit braunen Papiertüten, einer großen Glasschüssel mit Äpfeln, kleine Trinkschachteln und Müsliriegeln.
Wie an einer Perlenkette aufgereiht, gingen die Pilger – einige gestützt von ihren Wanderstöcken – an diesem Wagen vorbei und griff jeweils nach einem Lunchpaket.
Die mussten bestimmt auch immer ihre Zähne zusammenbeißen, wenn sie jetzt noch so fit sind, kam mir in den Sinn. Wenn ich alt und verbraucht bin, will ich auch noch so fit sein, nahm ich mir ein weiteres mal fest vor und just in diesem Augenblick meldete sich meine Raucherlunge mit dem unbändigen Verlangen der morgendlichen Routine.
Und so verabschiedet ich mich, brachte mein Geschirr zur Abgabestelle und ging hinaus.
Gerade steckte ich mir eine Zigarette an, als Andreas und Thorralf um die Ecke bogen.
adlerfeder - 17. Jul, 13:32
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07:30 Uhr.
Gegrölen, Geschreie, Schritte, Gestampfe, Gelächter, Gekicher [...]
Junge Leute in ausgelassener Stimmung zwischen Zimmer- und Badtüren, in Fluren zwischen Mädchen und Jungs hin- und hergerissen.
Wortfetzen drangen an mein Ohr. Grinsend und an meine Jugend denkend erhob ich mich aus dem Doppelstockbett.
Wann hatte ich das letzte Mal so gelacht wie diese Jugendliche da draußen? Es war schon lange her. Die letzten Wochen hatten mich ganz schön mitgenommen. Nicht nur das es mit der Organisation der Zeitung so schleppend voranging, sondern auch Privat standen einige Veränderungen an. Eigentlich wollte ich dieses Treffen nutzen, um mir selbst darüber im Klaren zu werden, ob der bisher eingeschlagene Weg der Richtige sei.
Von Andreas kam nur sehr wenig Engagement und selbst das für heute geplante Teamfrühstück würde mir keine Gelegenheit bieten, um einige Worte bezüglich der Zeitung mit ihm zu wechseln. Doch ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben.
Jeder Moderator soll die Gelegenheit zu einem Vieraugengespräch mit mir bekommen, hatte Andreas angekündigt. Und ich verlasse mich darauf, dass er dieses Vorhaben mit seinem geplanten Frühstück umsetzt.
Frisch gestriegelt und gebügelt betrat ich gegen halb neun den Frühstückssaal der Herberge.
Ein reichhaltiges Frühstücksbüfett mit frischen Brötchen, Schwarz- und Graubrotschnitten, Marmeladeschälchen, Nussnugatcremetöpfchen, Wust- und Käseplatte, Margarine, Butter, Obst, Müsli, Orangen- und Apfelsaft, sowie Milch, Kakao und Tee war liebevoll angerichtet.
Mit meinem gefüllten Dessertteller steuerte ich den großen Tisch an der Fensterfront an, dort saßen bereits einige Frauen aus unserer Reisegruppe.
Gertrud schaute auf meinen Teller, griff nach dem Nussnugatdöschen und sagte grinsend: „Das brauche ich noch!“
Und da fiel es mir auch wieder ein: Andreas ist ja Vater geworden und wir, als sein Team, hatten eine Überraschung.
„Ich habe die Karte dabei. Da müssen noch ein paar unterschreiben“, sagte ich zu Gertrud.
„Das machen wir. Hauptsache, er merkt nix.“
„Für den Kleinen habe ich einen Strampler und eine Flasche geholt. Vorsichtshalber eine Nummer größer, damit er ihn noch ein paar Wochen tragen kann. Kinder wachsen ja so schnell ... Und was willst du mit der Nutella?“, hackte ich neugierig nach.
„Später ... viel später“, antwortete Gertrud und zwinkerte mir schelmisch zu.
Wieder einmal ahnte ich nichts Gutes ...
adlerfeder - 16. Jul, 14:08
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